AC/DC ist tot!

es wurde in den vergangenen Jahren eigentlich schon zu einer Institution, eines der AC/DC Konzerte einer Welttournee in Deutschland zu besuchen, jedesmal gemeinsam mit meinem kleinen Bruder und meinem Vater. Gemeinsam waren wir also schon mehrfach am Hockenheimring, auch gemeinsam mit dem Geburtstagskonzert von Mick Jagger am Ring und am Stuttgarter Cannstatter Vasen.

Dieses Jahr hörte meine kleine Schwester als erste davon und ehe wir uns versahen, waren von ihr dazu auch die Karten bestellt und besorgt. Am vergangenen Wochenende war es also soweit, wir rotteten uns zusammen und machten uns auf zum Hockenheimring, schönes, sonniges Wetter am Nachmittag inclusive! Die News auf der Fahrt zum Ring überschlugen sich, 130.000 verkaufte Karten, es gäbe nur 30.000 Parkplätze, aber alle freuten sich auf dieses “Familienkonzert”.

Familienkonzert?  Ich war im Nachgang so naiv und habe dies auf unsere Situation bezogen, in der Vater mit Söhnen und durchgeknallt-verrückter Tochter auf das Konzert auf den Ring fährt, aber was ich dann erlebt habe …

Parkplatz finden war kein Problem, gegen 15:00 Uhr befanden wir uns schon fast am Ring vor Ort und Stelle, unterwegs trafen wir noch Freunde und Bekannte mit denen wir in den Jahren zuvor gemeinsam den einen oder anderen Konzertbesuch unternommen hatten. Um uns herum AC/DC Fans mit einschlägigen Klamotten, durch meine vorausgegangene Reise und andere Umstände kam ich mir in meinem Hemd völlig underdressed vor. Jedoch sehr schnell machte sich der Begriff der Lidl-Fans die Runde, ein Lebensmitteldiscounter hatte wohl Tage zuvor Shirts verkauft, die stylisch eindeutig zuerkennen waren. Und: es waren sehr viele!

wir fanden einen Platz zwischen den Bierständen im mittleren Drittel mit leicht erhöhtem Stand und perfektem Überblick über die gesamte Bühne, es konnte also losgehen! Wir waren es gewohnt, ein ACDC Konzert ist ein hard and heavy Konzert, es knallt es kracht und in aller Regel ist es immer eine riesensauerei! Fliegende Bierbecher, in der Menge kotzende und  scheissende Konzertbesucher ist völlig normal.

Doch, was war das? Musik spielte auf, heavy Rock, keine Band? Am linken Bühnenrand machte sich ein Persönchen hinter einem Mischpult zu schaffen und legte “typische Rockmusik” auf. DJane Kate hüpfte wie eine Wilde vom Linken zum rechten Bühnenrand und dann wieder zurück … die Musikauswahl war bescheiden, eine einfache Sampler CD hätte gereicht und Stimmung konnte von DJane keine aufgebracht werden, trotz ihres aufgeregten Herumhüpfens. Der einzige Reisser und troubleshooter wäre gewesen, wenn DJane ihr Shirt gerissen hätte, aber selbst dazu war diese Veranstaltung zu brav! Sie wurde dann nach einer gefühlten Dreiviertelstunde weg geräumt, sie wurde, denke ich, nicht vermisst.

Bühnenumbau, es begannen Vintage trouble, ehrlicher rockabilly, die sich am Ende für die Aufmerksamkeit und Chance bei einem ACDC Konzert spielen zu dürfen bedankten, war okay, jedoch in den Jahren zuvor wären sie maßlos ausgepfiffen worden.

wo also, um Himmels Willen, war ich?

erneutes Bühnenrücken, es spielte wieder Musik von der Konserve, die gleiche wie schon bei DJane – nur zum Glück diesmal ohne sie, – und es war klar: es geht gleich los! Die blonden Mädelsgruppen um uns – die sich seinerzeit niemals auf ein ACDC Konzert getraut hätten – waren beschäftigt sich und ihre Fratzen mit ihren Smartphones auf endlos viele Selfies vor dem Hintergrund einer ACDC Bühne zu bannen, wohl um Freundinnen zu Hause zeigen zu können: ‘seht her, ich kann auch so, wenn ich will!’ oh wie böse, oh wie unartig!!!

dann, viertel vor neun: es ging los! Es wummerte und es krachte, das erste Stück vom aktuellen Album, Musik die den Körper vibrieren lässt, einfach gefühltes ACDC! Erst mal so richtig gut, geil und heftig schön!

Doch: was war das? Nach dem ersten Stück, eine Pause … Es wird doch nicht….? Oder gar ….?! Eine halbe Minute später, es ging zum Glück weiter. Aber dieses Pausenerlebnis, es war ein solcher Schock, ich habe vergessen welche Titel nacheinander kamen, das meiste waren jedoch dann die typischen und legendären Titel, Highway tot hell, thunderstruck, hells bells, usw., aber stets unterbrochen von einer halben Minute Pause!

tatsächlich passte dann auch andern Tags der Kommentar im Radio ganz gut dazu, es sei altersentsprechend ein sehr gutes Konzert gewesen mit entsprechenden Verschnaufpausen. Dass Angus schon immer verwegen grimassierte das wusste schon jeder, dieses Mal wirkte es jedoch immer kurz vor den Pausen wie Schnappatmung mit blauen Lippen kurz vor dem Herzkreislaufstillstand!

ein weiteres unbeschreibliches Phänomen: zu Beginn jedes Titels leuchtete parallel zu dem roten Angus-Hörnchenmeer ein blau flackerndes LCD Bildschirmmeer auf, jeder versuchte wohl für sich die “Stimmung” und den nächsten “Hit”-Titel für sich und seine nachfolgenden Generationen einzufangen. Stimmung? Durch die regelmäßigen Pausen unterstrichen und das Flackern des unendlich weiten LCD-Meeres von Smartphones vor uns, ist diese niemals aufgekommen. Die Masse war mehr mit Filmen und aufnehmen beschäftigt als tatsächlich ein dreckiges hard and heavy Konzert zu feiern! Das schärfste war eine Situation neben mir als ein Filmender einen  Feiernden anschnauzte, der Feiernde solle nicht dauernd den Filmenden anrempeln und der Feiernde sich beim Filmenden daraufhin fast schon entschuldigte!

ein weiterer Abstrich: der Pussy-Faktor! Unglaublich viele Schicksen in hübsch und adrett waren unter den Zuschauern, ihre Hauptbeschäftigung war es, sich auf Selfies zu bannen vor dem Hintergrund einer AC/DC-Bühne um dann wohl auf den einschlägigen Plattformen posten zu können: ‘Oh, seht mal alle her! Schaut, ich kann auch dreckig!’ Der Abschuss kam dann von der Brünetten weit schräg links vor mir, die mehrfach auf den Schultern eines Zuschauers sich selbst vor der Kamera zu einer Rundumschau drehend sich selbst filmte und sich von ihrem “Untermieter” drehen ließ! Die in ihrer Ritze hervorblickende Tanga am sonst makellosen Körper wäre Jahre zuvor bei sonst bestehender Angst um Leib und Unversehrtheit nicht denkbar gewesen!

Unwahrscheinlich viele Paare fanden sich auf dem Konzert, dicht aneinander gekuschelt, die Veranstaltung wohl mit einer Werbeveranstaltung einer alten Bravo!-KuschelrockCD verwechselnd. Wieder Abstriche durch Pussyfaktor.

Ach ja, Familienkonzert …. Um uns standen etliche Gruppierungen, die sich bei genauerem Hinschauen als Familien entpuppten, Vater und Sohn meist im Lidl-Shirt, Mutti und Tochter in verwegener dunkler Outdoorkleidung. Eine Szene: Söhnemann rockt endlich ab und feiert mit den wenigen umstehenden Feierwillogen mit, schmeißt seinen Bierbecher quer über die Menge als er von seiner Gruppierung in die Mitte gezogen wird und beruhigend auf ihn eingegangen wird. Die Krönung ist wohl das beruhigend und beschwichtigend gedachte Küsschen dér Mutter. Zunächst mal: meine Mutter auf diese Fete mitnehmen – das wäre niemals in Frage gekommen. und dann die Situation von ihr beruhigt und beschwichtigt zu werden mit einem Küsschen – ich hätte mich damals erschießen und erhängen müssen. Also: der nächste Pussyfaktor und Gutmensch-Punkt!

die Krönung: Sitzplätze! Sitzplätze bei einem Konzert, das von der Fete und den feiernden Rockern lebt! Die Tribüne am Hockenheimring wurde mit Sitzplätzen bestallt, sie waren weit in den Rängen nach links und rechts voll besetzt! Die Situation erinnerte an den Circus Maximus in Rom, in dem die Bösen unten sich zum Spiel keilten und killten, während der Gutmensch bei Brot auf der Tribüne saß und dem blutigen Spiel zugucken konnte! Die Bösen wären die Rocker und die rockfeiernde Masse gewesen, nur die war dieses Mal aus o.g. Gründen leider nicht da!

die Musik wurmte und krachte, sie war gut wie immer, wenn nicht die Pausen gewesen wären, wenn ich nicht Angts um Angus hätte haben müssen und wenn ich sicher hätte sein können, dass der Sänger singt. oft stimmte die visuelle Akzentuation der Lippen nicht zu dem wie es kräftig gerade eigentlich gesungen wurde. Letztlich war es zwar eine Show wie immer, das Publikum ist anders geworden, es war eigentlich mehr zu einer Bühnenshow wie im Freizeitpark verkommen, dass nicht Mickey und Goofy uns über den Weg liefen war aber auch schon alles.

der Eindruck: eine sterbende Band!

Die Konsequenz: ich sehe schon genug Alten beim Sterben zu, das muss ich nicht auch noch hier bei meiner Lieblingsmusik haben. Ich werde die Band und die Musik in lebendiger Erinnerung behalten, aber weiteren palliativ-suizidalen Veranstaltungen im Ausverkauf werde ich nicht mehr zusehen!

ach ja, noch ein Wort zum Veranstalter: es war überdimensioniert! Der Eindruck, dass da jemand den Hals nicht voll genug bekommen konnte bleibt für mich bestehen. Ich erinnere mich an Konzerte mit 70.000 und das war schon groß! Aber: es hat damals alles funktioniert und der Abfluss und die Abreise am Ende waren kein Problem. Diesmal: 130.000 verkaufte Karten und es funktionierte überhaupt nicht! Die Fluchtwege, die zum Abgang geöffnet wurden waren verstopft, wir brauchten 90 Minuten(!) vom Festivalgelände herunter und aus den Fluchtausgängen heraus. Diese waren wohl sehr gut gekennzeichnet. Aber: leider zu klein!. Es war als hätte jemand aus dem Casus Duisburg rein gar nichts gelernt! Nach einer weiteren Stunde waren wir  am Auto warteten zunächst mal noch eine weitere Stunde, bis sich der Tross in Bewegung setzte und dann waren wir noch nicht auf der Autobahn!

Veranstalter? Setzen! Sechs!

AC/DC? I salute you!

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